Björn ist 32 Jahre alt und Handwerker. Jan ist 45 Jahre alt und Sozialarbeiter. Beide leben in einer norddeutschen Großstadt. Björn ist seit sieben Jahren verheiratet, Jan ist ledig. Während eines Spaziergangs erzählen beide, wie aus ihrer früheren Junge-Mann-Beziehung zwischenzeitlich eine Männerfreundschaft mit Erotik geworden ist.
Als Björn zehn Jahre alt war, begann Jan nach der Ausbildung seine Tätigkeit in einer Jugendbegegnungsstätte, in der Björn und drei seiner älteren Brüder seit geraumer Zeit verkehrten. Jan trat diese Stelle mit dem Schwung eines gerade diplomierten Sozialarbeiters an, im Kopf voller revolutionärer Ideen. Sein Ideenreichtum gefiel den Buben und Mädchen, die täglich die Begegnungsstätte aufsuchten; für Björn und einige seiner gleichaltrigen Freunde war Jan bald zu einem großen Freund geworden.
Die Gespräche zwischen Björn und dem Sozialarbeiter drehten sich bald um das Thema Sexualität. Der Junge provozierte den Erwachsenen mit Fragen zu bestimmten Sexualpraktiken, die er aus Erzählungen oder verbotenen Filmen kannte. Jan tat stets ahnungslos. Das stachelte den Buben zu größeren Anstrengungen auf; er ahmte sexuelle Praktiken im Spiel nach, lachte über Jans offensichtliche Verlegenheit und erzählte freimütig, welche Formen der sexuellen Betätigungen er selbst bereits ausprobiert hatte. Jan hielt sich zurück, tadelte ihn nicht und spornte ihn auch nicht an.
Ein gutes Jahr später, Björn war elfeinhalb Jahre alt, traf Jan den Jungen an dem Fluß, der die Stadt durchzieht. Beide setzten sich zusammen ans Ufer und kamen ins Plaudern. Bald brachte Björn das Thema einmal mehr auf die Vorzüge seiner Männlichkeit, die er Jan am Beispiel eines Holzstückchens zu erklären suchte. Zur Bestätigung führte er Jans Hand an seinen Körperteil, den er so sehr hervorhob. Dabei sagte er im Brustton gespielter Überzeugung: „Meiner ist aber viel größer als deiner.“ Ein direkter Vergleich blieb aus, denn Jan wies darauf hin, daß sie von Spaziergängern gestört werden könnten.
Wenige Wochen später war Jan in der Jugendbegegnungsstätte während der Sommerpause mit Renovierungsarbeiten beschäftigt. Björn sah das Auto des Sozialarbeiters vor der Tür stehen und begehrte durch lautes Klopfen Einlaß. Der Erwachsene ließ den Jungen herein, der hinter sich die Tür abgeschlossen haben wollte. Als Björn den Erwachsenen mit einem Zollstock hantieren sah, zog er die Hose herunter und sagte zu Jan: „Miß mal nach, wie groß er ist.“ Jan stellte voller Staunen fest, daß der Junge körperlich wie ein Vierzehnjähriger entwickelt war. Durch die Initiative des Jungen kam es zum Sexualkontakt zwischen beiden, in dessen Verlauf sich Björn auf den Bauch legte und den Erwachsenen bat, einzudringen.
Jan erschrak sehr und brach verstört die erotische Spielerei ab. Etwas verunsichert fragte der Junge den Mann: „Warum willst du mich nicht haben?“ Erst einige Tage später war der Sozialarbeiter in derLage, dem Elfjährigen klarzumachen, daß er ihn sehr gern habe, er ihm aber keinesfalls weh tun wolle. Ein Jahr später kam es zu der von Björn gewünschten Form des Sexualkontakts. Der Wunsch nach solchen Begegnungen begleitete den Jüngeren bis in das Erwachsenenalter hinein.
Björn verliebte sich regelrecht in Jan. Es waren für beide die ersten Erfahrungen dieser Art. Björn kann sich an keinerlei sexuelle Spielereien vor seinem zehnten Lebensjahr erinnern; wohl aber daran, daß er mit 13 Jahren von einem anderen Erwachsenen, der eindeutige erotische Wünsche äußerte, angesprochen wurde. Björn war über dieses Ansinnen äußerst empört, fuhr an einem Sonntagmittag mit seinem Fahrrad zu Jans Wohnung, um seinem erwachsenen Freund die ganze Empörung über das unsittliche Ansinnen dieses Fremden zu schildern. Jan hatte Mühe, den Jungen zu beruhigen, der sich noch während seiner Schilderung auszog und auf Jans Bett zum Intimkontakt bereitlegte.
Die Beziehung zwischen beiden blieb sowohl vor den anderen Besuchern der Jugendbegegnungsstätte als auch vor Björns Eltern geheim. Die Eltern kannten den Sozialarbeiter nicht persönlich, wohl aber dem Namen nach, da Björn oft von dem „Neuen“ erzählte. Björn erinnert sich an eine Situation, in der seine Mutter nach den Schilderungen ihres Sohnes über Jan in einem Anflug von Eifersucht schimpfte: „Ich höre zu Hause immer nur von Jan. Wenn es so weitergeht, solltest du am besten gleich dein Bett nehmen und zu ihm ziehen.“ Björn sagt, er hätte das damals sofort getan, wären Mutters Worte ernst gemeint gewesen.
Immerhin brachten Björns Schwärmereien für ihn gelegentliche Vorteile. Als er 13 Jahre alt war, wurde sein Lehrer wegen eines typischen Bubenstreiches bei den Eltern vorstellig. Der recht strenge Vater drohte seinem Sohn gehörige Prügel an. In seiner Not wandte sich Björn an Jan. Der Sozialarbeiter stattete Björns Eltern einen „zufälligen“ Besuch ab. Die Eltern freuten sich, endlich diesen „Helden“, von dem der Sohn so schwärmte, persönlich kennenzulernen, und kochten Kaffee. Man plauderte Belangloses, bis Jan schließlich eher nebenbei nach Björns schulischen Leistungen fragte. Der Vater geriet in Rage und gab zu erkennen, seinen Sohn bei nächster Gelegenheit für die Missetaten gehörig zu verprügeln. Der Sozialarbeiter versuchte mit Geduld die Eltern zu besänftigen und pubertätsbedingte Streiche nicht überzubewerten. Der Vater ließ sich schließlich besänftigen, und als Björn kurze Zeit später, ebenfalls „zufällig“, die Wohnung betrat, war der anfängliche Zorn schon fast verraucht. Der Junge mußte zwar sofort ins Kinderzimmer und durfte nicht bei den Erwachsenen bleiben, aber weitere Strafen blieben aus.
Die Freundschaft zwischen Björn und Jan blieb unvermindert erhalten. Es kam zu regelmäßigen und von beiden auch heute noch als angenehm empfundenen Sexualkontakten. Diese Kontakte gingen auch dann weiter, als Björn mit 15 Jahren seine ersten sexuellen Erfahrungen mit Mädchen machte. Björn kann sich nicht vorstellen, je mit einem anderen Mann Sex zu haben. Andererseits hat er auf die Kontakte mit Jan auch dann nicht verzichten wollen, als er heiratete. Und er will noch immer nicht auf Sex mit Jan verzichten — 21 Jahre nach der ersten erotischen Begegnung mit dem Sozialarbeiter.
Wenn Björn gefragt wird, was ihn an dieser sexuellen Beziehung zu einem Mann reizt, was er beispielsweise bei Jan bekommt, das er in seiner Ehe nicht haben kann, weist Björn auf bestimmte sexuelle Formen der Begegnung hin, die nur zwischen Männern möglich sind. Und er sagt, daß er häufig einfach den Wunsch habe, passiv und entspannt Erotik genießen zu können, während er bei seiner Frau auf deren Wunsch hin gern die aktive Rolle spielt.
Die Junge-Mann-Beziehung zwischen Björn und Jan, die schließlich in eine erotische Männerfreundschaft überging, hatte freilich nicht nur eine sexuelle Komponente, auch wenn die körperliche Lust der Motor dieser Beziehung war, wie beide unumwunden zugeben. Jan half Björn, die Schule mit einigermaßen guten Noten zu beenden, half ihm bei der Lehrstellensuche und bei Björns alterstypischem Liebeskummer mit den Freundinnen seiner Pubertät. Über mögliche Eheprobleme, sollte es sie geben, spricht Björn mit Jan nicht. Der Sozialarbeiter ist der Freund von damals geblieben; der Retter in sexuellen Nöten und Helfer bei beruflichen Sorgen, wie es Björnformuliert. Jan gibt sich mit dieser Rolle zufrieden. Er freut sich, daß Björn nach wie vor Spaß am Sex mit ihm hat. Er hat auch nie gefordert, Björn müsse auch in anderen Lebensbereichen sein Partner sein. Manchmal verabreden sich beide mehrfach in der Woche zum Intimkontakt; bisweilen sehen sie sich wochenlang nicht. Es ist eine Interessenverbindung, die nichts kostet, sagt Jan.
Als Björn gefragt wird, ob er sich durch den frühen Sex mit einem Erwachsenen in seiner Entwicklung geschädigt fühlt, lacht er spontan und lauthals heraus. Eine solche Frage kann er nicht verstehen. Er hält Sex zwischen zwei Menschen, wenn er auf verantwortungsvolle Weise der gegenseitigen Respektierung geschieht, für etwas völlig Natürliches. Müßte er sich für den Verführungsgedanken entscheiden, bestünde er darauf, daß er der eigentliche Verführer war. Er ist es im Grund noch heute, beteuert er, denn er ruft bei Jan an, wenn er Sex will, nicht umgekehrt. Angst vor ansteckenden Krankheiten hat er nicht, denn er lebt absolut monogam, wie er es formuliert. Mit seiner Frau, und gelegentlich eben mit Jan. Andere Intimkontakte hat und will er nicht. Und wenn Jan plötzlich in eine andere Stadt zöge? Björn schaut auf diese Frage ziemlich ratlos. „Es würde keine Neuauflage geben. Jan ist Jan. Das läßt sich nicht kopieren.“
Seine Frau weiß nichts von seiner Beziehung zu Jan, ebensowenig seine Eltern. Wozu auch, fragt Björn. Ist seine Beziehung zu Jan denn nicht sehr außergewöhnlich? Björn zieht bei dieser Frage die Schultern hoch: „Was soll daran außergewöhnlich sein? Das gibt es sicherlich häufig.“ Er habe, fügt er hinzu, als Junge das Gefühl gehabt, auch andere Gleichaltrige hätten ähnliche Erfahrungen gemacht wie er.