Kein Ausweg

Dieser Brief wurde an den Autor des Buches Heimliche Liebe, Wolf Vogel, gesendet. Ein Junge bittet um Rat, weil er wegen seiner Homosexualität und seiner Beziehung zu einem Mann Probleme mit seiner Familie hat.

„Ich möchte mich heute an Sie wenden, da ich keinen Ausweg mehr sehe und nicht weiß, was ich weiter tun soll. Ich heiße Andreas und bin 13 Jahre alt und habe noch drei Geschwister. Ich war vom achten bis elften Lebensjahr in einem Heim. Seit ungefähr einem Jahr weiß ich, daß ich schwul bin. Mädchen interessieren mich nicht. Meine Mutter weiß es. Vater darf es nicht wissen, sonst schlägt er mich. Mein großer Bruder zieht mich deswegen auf und macht mir das Leben schwer. Meine Mutter war mit mir auf dem Jugendamt, weil mein großer Bruder Schauergeschichten erzählt. Nun soll sie mit mir zu einem Psychiater gehen.

Nun zu meinen Schwierigkeiten: Ich habe vor einiger Zeit einen alten Mann kennengelernt, mit dem ich mich sehr gut verstehe. Der mir helfen möchte. Er hatte schon mal viele Jahre lang jemanden bei sich. Nun versucht das Jugendamt meine Mutter zu beeinflussen, gegen ihn eine Anzeige zu machen, was sie wahrscheinlich nicht macht. Aber ich habe Angst, schuld zu sein, wenn mein Freund bestraft würde, denn ich habe ihn ja gesucht und gefunden. Mit Gleichaltrigen geht es schlecht, denn die lachen mich nur aus und sagen ‘Schwuler‘ zu mir.

Nun zu meinen Fragen: Wohin kann ich mich wenden, damit mir geholfen wird? Wie kann ich meinen Freund sehen, ohne ihn zu gefährden? Was soll ich meiner Mutter und meinen Geschwistern sagen? Wie soll ich mich auf dem Jugendamt verhalten? Bitte schreiben Sie die Antwort an die Adresse meines Vertrauens.“

Nach erfolgter Antwort:

„Ich habe Ihren Brief mit Freuden gelesen. Vielen Dank dafür. Es ist für mich schwer, meinen Eltern zu erklären, daß ich nicht krank bin. Haben Sie vielleicht die Möglichkeit, meiner Mutter in ein paar Zeilen zu schreiben, wie es überhaupt zu solchen Gefühlen kommt? Am meisten macht es mir mein großer Bruder schwer, er ist 16 Jahre alt und schwindelt sehr, er macht mich bei der Mutter schlecht, indem er erfindet, wo ich mich angeblich aufhalten soll, was überhaupt nicht stimmt. Ich denke manchmal, daß mich mein Bruder loswerden will und ich wieder ins Heim soll. Ansonsten habe ich noch einen Zwillingsbruder, der ist wie das Wetter, manchmal hilft er mir, manchmal lügt er auch. Ich freue mich auf die baldige Antwort und vor allem, daß Sie mir helfen wollen.“

Nach weiterer Antwort:

„Ich kann Ihnen etwas Erfreuliches berichten. Meine Mutter hat jetzt volles Verständnis. Mein Bruder darf auch nichts mehr dagegen sagen. Ich besuche meinen Freund täglich. Meine Mutter hat auch nichts dagegen, wenn ich später zu ihm ziehe.“