Ich dachte, es wäre verboten, schwul zu sein!

Der 16-Jährige Jes Harrison hält auf einem NAMBLA-Kongress eine Rede über die Gründe, sich von seinen Eltern rechtlich emanzipieren lassen zu wollen.

Quelle: Kids Club Anthology #1; Out the Mouth of Babes - Youth speak out on youthlove; März 2019

Übersetzung durch JUMIMA.
Englischer Originaltext

Jes Harrison (16) hielt diese Rede auf dem Panel „Liebe zwischen Mann und Junge und sexuelle Befreiung“ (“Man/Boy Love and Sexual Liberation”), das während einer nordamerikanischen Konferenz über Liebe zwischen Mann und Junge am 7. Oktober 1984 im Pride Center in San Francisco stattfand. Er erzählt, wie er versucht die rechtliche Emanzipation von seiner Mutter und seinem missbräuchlichen Stiefvater zu erlangen und nach San Francisco kommen musste, um einen Sozialarbeiter zu finden, der ihm glaubte, dass er zu Hause missbraucht und von seinem 19-jährigen Liebhaber nicht „belästigt“ wurde. An der Konferenz nahmen auch der Gründer der Mattachine Society, Harry Hay, der Journalist und Gründer des International Gay and Lesbian Archives, Jim Kepner, und der frühe Aktivist für Schwulenrechte, Morris Kight, teil.


Am 1. Juni traf ich einen 19-jährigen Studenten am JC (Junior College) und wir fingen an auszugehen und so. Meine Eltern fanden es heraus und sie waren nicht damit einverstanden. Und bevor sie herausfanden, dass er schwul war, kam er oft zu uns und sie liebten ihn und hielten ihn für den tollsten Kerl der Welt. In der Sekunde, in der sie es herausfanden, wurden sie total feindselig und gingen aufs Ganze, um ihn des Kindesmissbrauchs zu beschuldigen, um ihn ins Gefängnis zu bringen.

Meine Mutter hatte zuerst nichts dagegen, mein Stiefvater schon. Eines Tages, als ich die Vordertreppe hochkam, sagte sie: »Papa weiß es jetzt.« Dann kam er nach Hause und das Verhör begann: mich zu schlagen, mich zu bedrohen damit ich alles erzählte was geschehen war. Ich hatte echt Angst, ich war damals sehr naiv. Sie erzählten mir, dass wenn ich ihnen nicht alles erzählte, würden sie mich in eine Irrenanstalt bringen und solche abgedrehten Sachen. Und ich bin aus Santa Rosa, ich kenne mich mit solchen Dingen nicht aus! Deshalb habe ich alles geglaubt, ich weitne und ich erzählte ihnen alles. Und ich hatte keine Ahnung, dass sie damit zur Polizei gehen würden. Also gingen wir hinunter, ich stieg ins Auto und – Es war genau so, wie man es in den Filmen sieht: ein dunkler Raum, eine Lampe, Verhör. Ich war ungefähr zweieinhalb Stunden dort, ein aufgezeichnetes Interview, und ich erzählte ihnen alles, was passiert war.

Und dann rief mein meine Mutter meinen Lover, Paul, an und sagte ihm nur, er solle nie wieder anrufen und so und sagte ihm, dass er krank im Kopf sei und psychiatrische Hilfe bräuchte. Und dann, am nächsten Tag auf Arbeit kontaktierte ich meinen Lover und von diesem Zeitpunkt an taten wir einfach alles, um ihn aus dem Gefängnis herauszuhalten. Wir hatten beide einen ziemlich guten Ruf in der Schule, also mussten wir diesen Ruf aufrecht erhalten. Und dann blieb mir nur noch nach San Francisco zu kommen und mich emanzipieren zu lassen, um ihn aus dem Gefängnis herauszuhalten und unseren Ruf zu schützen. Und das ist im Grunde meine gegenwärtige Situation: Ich versuche, mich rechtlich emanzipieren zu lassen. Und das ist wirklich nicht leicht.

Ich dachte, es wäre verboten, schwul zu sein! Ich dachte, du könntest ins Gefängnis geworfen werden, weil du schwul bist! Ich hatte das Glück, in Santa Rosa eine schwule Person auf der Straße zu sehen. Ich total aufgeregt: »Oh, wow, vielleicht kann ich ihn kennenlernen [pick him up]!« Zwei Schwule auf einem Haufen – ich war im Himmel! Kinder haben eine Art versteckte Kraft, aber ich wusste nichts davon. Ich wurde mit Bullshit bombardiert! Die Dinge, die sie mir sagten: »Du kannst das nicht tun, wir werden das so mit dir machen und so, und du wirst dies sagen und das und du kannst nichts dagegen tun!« Vielleicht gibt es eine Art Broschüre, die man an alle senden kann, die ihnen ihre Rechte erklärt.