Zum Gedenken an Matt biete ich euch meine Liebe an

Harry Hay, ein bekannter amerikanischer Aktivist für Schwulenrechte, hält an der New York University eine Rede. Darin berichtet er von seiner Kindheit und dass er mit 14 Jahren bereits wie ein Mann Geld verdiente und homosexuelle Erfahrungen machte.

Quelle: A Quest for Knowledge: Harry Hay at New York University, 1983, NAMBLA Webseite

Übersetzung durch JUMIMA.
Englischer Originaltext


Die folgenden Kommentare von Harry Hay wurden am 22. Februar 1983 auf einem öffentlichen Forum an der New York University gemacht, das von der Schwulengruppe der NYU und dem ‘Stop the Witchhunt Committee’ ausgerichtet wurde, welches gebildet worden war, um einer massiven Kampagne des FBI und der New Yorker Polizei entgegenzuwirken, welche die NAMBLA in einer Schmutzkampagne für die Entführung und Ermordung des sechsjährigen Etan Patz verantwortlich machen sollte. Die Episode ist in dem Buch ‘A Witchhunt Foiled: The FBI vs. NAMBLA (New York: NAMBLA, 1985)’ dokumentiert, für das Harry eine Rezension schrieb. Weitere Redner des Panels waren John Burnside, Katherine Davenport, Vertreterin des ‘Stop the Witchhunt Committee’, und Michael J. Lavery, langjähriger schwuler New Yorker Aktivist.

Bereits 1925, als ich dreizehn Jahre alt war, entschied mein vergleichsweise wohlhabender Vater, der nicht daran glaubte, Kinder zu verhätscheln, dass ich alt genug war, um mit der Arbeit eines Mannes zu beginnen. Und so arrangierte er, mich – damals lebten wir in Los Angeles – nach West-Nevada zu schicken, um mit Wanderarbeitern, die durch dieses Gebiet zogen, auf den Heufeldern zu arbeiten. Ich würde dort hinausfahren, drei Dollar pro Tag verdienen und Kost und Logis erhalten. Zu dieser Zeit gab es keinen direkte Personenverindung zwischen Los Angeles und Reno. Die Verbindung war, soweit wir herausfinden konnten, ein Zug, der fünfzig in die Richtige Richtung fur. Daran schloss sich eine fahrt mit dem Jitney-Bus für ungefähr weitere 150 Meilen an, der einen weiteren anschluss brachte, der dienstags und freitags fuhr und Hühner und Eier vom Ende der Jitney-Linie zum Mono Lake zu den Farmen brachte. Und dort war dann alles zuende. Ich hatte noch 150 Meilen vor mir und niemand hatte die geringste Ahnung, wie ich die schaffen würde. Aber ich wurde in den Zug gesetzt und fuhr los. Die Geschichte ist aber nicht, wie ich hin gekommen bin, sondern dass ich hin gekommen bin. Der Punkt ist, dass ich als Mann gereist bin. Ich bin dreizehn. Ich bin ein Kind. Ich fahre in diese Gegend.

Im nächsten Jahr steige ich in das Siegerteam [point team] auf. Zwischen dreizehn und vierzehn hatte zum erstem Mal gehört, dass es Männer gibt, die manchmal Jungen mögen, und ich wollte möglichst viel über diese Dinge wissen. Ich hatte davon von den Männern gehört, die im Jahr zuvor auf den Feldern gearbeitet hatten. Sie erzählten mir von ihnen, sie nannten sie “Feen” [“fairies”]. Und natürlich haben sie nicht die üblichen Höflichkeiten benutzt. Ich habe ihnen nicht gesagt, dass ich mir jedes Wort genau angehört und es für die zukünftige Verwendung aufbewahrt habe. Ich wusste, dass ich in diesem Sommer nichts unternehmen würde, aber im folgenden Sommer, als ich vierzehn war, war ich fest entschlossen, etwas unternehmen.

Als ich vierzehn war, ging ich im Sommer wieder zur Arbeit, wie im Jahr zuvor, aber dieses Jahr bin ich kein unerfahrener Mann mehr und verdiene fünf Dollar pro Tag plus Verpflegung. Ich mache kompliziertere Arbeiten, ich kann genauso gut arbeiten wie jeder Wanderarbeiter auf dem Gebiet. Ich arbeite dort drei Monate, komme nach San Francisco und schiffe mit einem Frachter von San Francisco zurück nach Los Angeles. Ich bekomme einen Job auf dem Frachter. Damals braucht der Frachter zweieinhalb Tage von San Francisco nach Los Angeles, und es gab eine Fahrtunterbrechung in San Luis Obispo. Man geht für die Nacht nach San Luis Obispo. Ich erforsche den Ort mit den Kollegen, weil es dort etwas Rotgut gab – denken Sie daran, es war die Zeit der Probition – und bandelte dann mit den Queers an. Ich entschied mich, nicht direkt mit den Queers zu gehen, aber ich woltle rausgehen und zusehen, wie die Burschen rein und raus gingen und so. Aber der Punkt ist, dass ich die Wahl hatte. Ich hatte das Recht, eine Wahl zu treffen. Ich bin vierzehn, Ich verdiene einen wie ein Mann, mache die Arbeit eines Mannes, ich werde mit vierzehn wie ein Mann behandelt und ich treffe mit vierzehn alle möglichen Entscheidungen. Aber aus der Sicht, die man heute hört, bin ich ein Kind.

Der Punkt ist, dass ich absolut in der Lage war, mich selbst einzuschäten und genau zu wissen, was ich wollte. Aber dieses Jahr wusste ich, dass ich einen Mann finden wollte, der mir sagte, was ich wissen wollte. Mit vierzehn es es klar, dass ich ein Kinderverführer [child molester] bin. Ich bin ein Kind und verführe einen Erwachsenen, bis ich herausfinde, was ich wissen möchte. Und ich fand ihn und er war schockiert. Dann entdeckte er, dass ich, anstatt ein Mann zu sein, wie er vermutet hatte, da ich so aussah, wie ich aussah – mit Schwielen an meinen Händen […] –, nur vierzehn Jahre alt war, und wenn jemand davon erfahren würde, käme er ein Leben lang ins Gefängnis oder zumindest dreiundzwanzig Jahre, in Kalifornien.

Ich erzähle Ihnen diese Geschichte und heute Abend in Erinnerung an einen Mann – ich kann mich nur daran erinnern, dass er Matt hieß. Und ich sende Ihnen allen meine Liebe und tiefe Zuneigung für das, was Sie den Jungen geben können, zu Ehren dieses Jungen, als er vierzehn war, und als wissen musste, was nur ein anderer schwuler Mann ihm zeigen und ihm sagen konnte.

Ich möchte an dieser Stelle auch sagen, dass es mir so scheint, dass in der Schwulengemeinschaft eigentlich die Eltern und Freunde von Schwulen die Leute wären, die sich für NAMBLA einsetzen sollten. Denn wenn die Eltern und Freunde von Schwulen wirklich Freunde von Schwulen sind, würden sie von ihren schwulen Kindern wissen, dass die Beziehung zu einem älteren Mann genau das ist, was dreizehn-, vierzehn- und fünfzehnjährige Kinder mehr als alles andere brauchen auf der Welt. Und sie würden es begrüßen und die Gelegenheit begrüßen, für junge schwule Kinder die Art von Erfahrung zu machen, die sie brauchen.

Wie ich bereits sagte, sage ich dies nicht als Mitglied der NAMBLA, sondern in Erinnerung an den vierzehnjährigen Jungen, der vor so langer Zeit mit Matt zu tun hatte. Und zum Gedenken an Matt biete ich euch meine Liebe an.